Stellungnahme – Referentenentwurf Gewaltschutz im Familienrecht

Der vorgelegte Referentenentwurf aus dem BMJ verstößt gegen elementare rechtliche Grundsätze und durch die Verfassung garantierte Grundrechte. Er leistet damit nicht, was er vorgibt, leisten zu wollen: Effektiven Schutz für Betroffene von häuslicher Gewalt.
Es gilt, die beiden berechtigten Anliegen „Gewaltschutz“ und die Grundrechte von Eltern, aber auch der Kinder sowie der Betroffenen von Anschuldigungen in angemessener Weise zu berücksichtigen. Dabei ignoriert der Entwurf jegliche Verhältnismäßigkeit.
Insbesondere der Bezug auf „behauptete“ Gewalt („Anhaltspunkte“) verstößt gegen den Grundsatz, der für alle Menschen in Deutschland zu gelten hat, die Unschuldsvermutung: „In dubio pro reo“. Diesen Grundsatz verlässt der Entwurf, „vorverurteilt“ den zweiten Elternteil in Trennungsfamilien ohne Vorliegen eines Nachweises und sanktioniert diesen und die betroffenen Kinder drastisch mit Umgangsbeschränkungen, Umgangsentzug sowie dem Entzug des grundgesetzlich geschützten Sorgerechts. Die unausweichlichen Folgen sind massive Schädigungen des Verhältnisses der Kinder zum zweiten Elternteil bis hin zu provozierten Kontaktabbrüchen.
Für die „anschuldigenden“ Eltern sieht der Entwurf massive tendenziöse Eingriffe in die Trennungsfamilien vor wie unsanktionierter Wegzug des Elternteils mit dem Kind, Geheimhaltung des Aufenthaltsortes des Kindes sowie willkürliche Auswahl des Gerichtsstands zu Lasten des zweiten Elternteils.
Jede Verhältnismäßigkeit ignorierend, verzichtet der Entwurf im Falle von Falschbeschuldigungen auf jegliche Sanktion. Das ist unausgewogen und nicht angemessen für unser Rechtssystem.
Es ist unverständlich, weshalb das BMJ seine Politik nicht auf das bewährte Gewaltschutzgesetz (GewSchG) zentriert. Das GewSchG ist geschlechterneutral formuliert, definiert den Gewaltbegriff klar als nachgewiesene physische oder psychische Gewalt und wahrt sämtliche Grundsätze unserer Rechtskultur.
Des Weiteren ist die angestrebte Vermischung von privatem Recht (Familienrecht) und öffentlichem Recht (Gewalt) im aktuellen Entwurf unzulässig.
Sollte der Entwurf in ein Gesetz überführt werden, droht nicht weniger als die Auflösung des bestehenden Familienrechts. Die von Herrn Bundesminister Dr. Buschmann wiederholt angekündigten, bis heute aber nicht als Referentenentwurf vorgelegten Reformen zum Familienrecht sind damit hinfällig. Eine gleichberechtigte Elternschaft, die heute in vielen europäischen Ländern, nicht aber in Deutschland existiert, wird damit zur Utopie.
Es ist unverständlich, weshalb sich das Bundesministerium der Justiz auf einen derart formulierten Gesetzesentwurf einlässt. Er weicht deutlich von dem Eckpunktepapier für eine Reform des Kindschaftsrechts ab, welches das BMJ Anfang 2024 veröffentlicht hat10. Mit Gleichbehandlung der Rechtssubjekte, Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen und Wahrung auch der Grundrechte der Kinder auf ihre beiden Eltern hat der vorgelegte Entwurf nichts mehr zu tun.
Auch das Rekurrieren des BMJ auf ein – geschlechterpolitisch höchst einseitiges („Frauen und Kinder“) – internationales Übereinkommen wie die Istanbul-Konvention schadet dem umfassenden Thema „Präventionen vor häuslicher Gewalt“ (für alle Menschen).
Die unterzeichnenden Verbände bewerten den vorgelegten Entwurf mit großer Sorge als schädlich und nicht grundrechtskonform. Wir fordern dringend die Rücknahme des Entwurfs sowie eine grundlegende Überarbeitung des Themas mit Fokus auf das bestehende, bewährte GewSchG mit partiellen Ergänzungen.

Die ausführliche Stellungnahme können Sie hier herunterladen.