Ist PAS Realität?

Der Kontakt mit beiden Eltern, also auch einem getrenntlebenden Elternteil, gehört zum Wohl des Kindes. Dieser Grundsatz ist im deutschen Recht (§ 1626 (3) BGB) verbindlich festgeschrieben und wurde auch mehrfach vom Bundesverfassungsgericht so bestätigt. Das im deutschen Recht verankerte Residenzmodell gibt dabei als Leitmodell vor, dass Trennungskinder von einem Elternteil betreut werden und den anderen nur besuchen dürfen. Diese Situation ist in vielen Fällen sowohl für die Kinder, als auch für den getrenntlebenden Elternteil hochgradig belastend.

Dem betreuenden Elternteil kommt somit die Verantwortung zu, den Kontakt des Kindes zum anderen Elternteil zu ermöglichen und sogar zu fördern. Die Loyalitätspflicht des betreuenden Elternteils gemäß § 1684 Abs. 2 BGB verbietet, den Umgang zu boykottieren, das Kind gegen den anderen Elternteil zu beeinflussen oder den anderen Elternteil aus dem Leben des Kindes zu entfernen. Umgangsvereitelung ist unzulässig!

Die Möglichkeiten der Regelung des Umgangs sind dabei vielfältig. Sie reichen von situationsabhängigen Absprachen, bei denen der Kontakt zwischen den Eltern nach Bedarf und Interesse abgestimmt wird, bis hin zu Gerichtsbeschlüssen, in denen alles detailliert geregelt ist, einschließlich wie ausgefallenen nachzuholen sind etc.

Gerichtliche Regelungen sehen häufig einen 14tägigen Kontakt am Wochenende, die halben Ferien und gegebenenfalls noch einen zusätzlichen Nachmittag in der Woche vor. Eine generelle gesetzliche Regelung gibt es dazu nicht, auch keine Richtlinie, wie etwa die Düsseldorfer Tabelle beim Unterhalt. Die Entscheidung hat sich am Wohl des Kindes zu orientieren. Gerade da liegt oft das Problem. Viele betreuende Elternteile versuchen den Kontakt des Kindes zum getrenntlebenden Elternteil soweit möglich einzuschränken. Teilweise führt dies bis zur totalen Verweigerung, entgegen ihrer oben beschriebenen gesetzlichen Pflicht.

Die radikalste Form der Kontaktverweigerung wird in der Fachliteratur häufig mit dem Begriff PAS (Parental Alienation Syndrom) bezeichnet. Dabei wird kurz umrissen davon ausgegangen, dass der betreuende Elternteil den getrenntlebenden Elternteil verteufelt und dadurch eine tiefe Ablehnung des Kindes gegen ihn erreicht. Häufig beginnt ein solches Verhalten damit, dass der betreuende Elternteil den Kontakt zum anderen Elternteil vorläufig unterbindet oder nur sporadisch zulässt, unter dem Vorwand, das Kind müsse zunächst zur Ruhe kommen. Parallel erfolgt die negative Beeinflussung des Kindes. Im Nachhinein werden die wenigen Kontakte dann als nicht erfolgreich und vom Kind abgelehnt dargestellt. Begleitet ist dies oft von völlig haltlosen Vorwürfen gegen den umgangsberechtigten Elternteil, wie z.B. Gewalt oder Missbrauch, in der Regel getarnt als „Sorgen und Befürchtungen“, um eine strafrechtliche Relevanz solcher Falschaussagen zu vermeiden.

Die vom amerikanischen Psychologen Gardner entwickelte PAS-Theorie hat viele Gegner. Insbesondere wird ins Feld geführt, es handele sich nicht um ein Krankheitsbild, wie von Gardner behauptet. Ein Syndrom ist eine Krankheit, die durch das gemeinsame Auftreten bestimmter Symptome beschrieben wird. Diese klare Abgrenzung des PAS als Krankheit konnte wissenschaftlich bisher nicht ausreichend belegt werden.

Dass es Eltern-Kind-Entfremdung gibt, ist dagegen unbestreitbar, wie man dieses Phänomen systematisch eingruppiert dagegen nebensächlich. Die Diskussion darüber lenkt nur vom eigentlichen Problem ab.

Die Entfremdung des getrenntlebenden Elternteils von seinem Kind ist gesetzeswidrig und führt zu einer menschlichen Tragödie. Die möglichen rechtlichen Konsequenzen solchen Fehlverhaltens im Prinzip vorhanden, eine einheitliche Handhabung der Gerichte ist jedoch nicht zu erkennen. Im Grunde ist das Kindeswohl dabei durch eine missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge gefährdet. Oft wird in solchen Fällen von den Gerichten aber schlicht der Verweigerungshaltung des betreuenden Elternteils nachgegeben, mit der Begründung, ein Vorgehen gegen den (sich gesetzeswidrig verhaltenden!) Elternteil schade wegen des daraus resultierenden Konflikts dem Kind. Wenn sich so eine Haltung der Gerichte durchsetzt, ist das das Ende des Rechtsstaats. Selbst die vorhandenen Möglichkeiten wie Ordnungsgeld und -haft oder Sorgerechtsentzug, werden unzureichend genutzt. Dabei wäre eine Aufnahme von Umgangsverweigerung ins Strafgesetzbuch wünschenswert, wie sie seit Jahren gefordert wird.

Getrenntlebende Elternteile müssen sich konsequent darum bemühen, einen engen Kontakt zu ihren Kindern zu wahren. Je enger die Eltern-Kind-Bindung ist, umso schwerer wird es dem entfremdenden Elternteil gelingen, seinen Plan in die Realität umzusetzen. Ein eigenmächtiges Aussetzen des Kontaktes durch den betreuenden Elternteil sollte auch zeitlich begrenzt keinesfalls hingenommen werden. Hier ist sofortiges energisches Gegenlenken erforderlich.

Das heißt jedoch nicht, dass bei allgemein funktionierenden Kontakten nicht mal ein Umgang ausfallen kann. Gerade ältere Kinder haben oft auch ihre eigenen Pläne. Dem sollte man Rechnung tragen. Es ist normal, dass Kinder sich mit der Zeit von ihren Eltern abnabeln. Kinder, die allein entscheiden können mal nicht zum anderen Elternteil zu wollen, sollten dann jedoch auch allein entscheiden können, wenn sie zum anderen Elternteil wollen und zwar ohne folgende Repressalien durch den betreuenden Elternteil. Häufig endet jedoch genau da die Toleranz betreuender Elternteile, die sonst so besorgt um die freie Entscheidung des Kindes sind.

PAS als Krankheit abzulehnen, mag sich wissenschaftlich erklären lassen. Das Problem systematischer Eltern-Kind-Entfremdung zu bestreiten, grenzt dagegen an völligen Realitätsverlust.

Umgangsboykott ist und bleibt ein Verbrechen am Kind!