Der SPD Vorstand hat heute seinen Leitantrag zum außerordentlichen Bundesparteitag am 25. Juni 2017 veröffentlicht. Auf Basis dieses Entwurfes soll also in gut 4 Wochen über das Wahlprogramm der SPD für die Bundestagswahl abgestimmt werden. Überschrieben ist der Entwurf mit „Zeit für mehr Gerechtigkeit“. Das lässt hoffen! Grund genug für uns, etwas genauer zu schauen, was die Pläne der SPD zur Familienpolitik im Detail sind.
Gleich am Anfang der Lektüre wird klargestellt was die SPD unter Familie versteht: „Für uns ist Familie dort, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen von der klassischen Ehe zwischen Mann und Frau über alleinerziehende Mütter und Väter, Patchworkfamilien bis zum gleichgeschlechtlichen Paar.“ Hier tauchen zwei sehr wichtige Gruppen nicht auf – nicht verheiratete Eltern und von ihren Kindern getrennt lebende Elternteile. Schade eigentlich, denn gerade diese beiden Gruppen werden auch heute schon benachteiligt, teilweise gesetzlich festgeschrieben und teilweise durch die gelebte gesellschaftliche Realität.
Dabei weiß es die SPD besser. „Viele Eltern wünschen sich, ihre Arbeit und die Kindererziehung partnerschaftlich aufteilen zu können. Bislang heißt das allerdings, finanzielle und berufliche Nachteile in Kauf nehmen zu müssen.“ Dieser Wunsch ist unbestritten vorhanden und auch die Folgen sind gut erkannt – berufliche und finanzielle Nachteile. Wirkliche Lösungen für dieses Dilemma werden indes nicht vorgeschlagen. Beschrieben wird stattdessen das bereits eingeführte Elterngels Plus. Familien erhalten über eine längere Zeit einen staatlichen Zuschuss von jeweils 150€ monatlich, wenn beide Partner Ihre Arbeitszeit auf 75 bis 90% der jeweiligen tariflichen Arbeitszeit reduzieren. Inwieweit dieses Instrument geeignet ist, um eine deutlich ausgewogenere Betreuung durch Mutter und Vater zu erreichen, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.
Fast schon Gönnerhaft wirkt der Satz: „Natürlich werden auch Allein- oder getrennt Erziehende das Familiengeld erhalten.“ Getrennt Erziehende? Ich musste mehrmals nachlesen, um es glauben zu können. Richtig, die SPD spricht auch getrennt lebende Elternteile an, wenn auch nur beiläufig am Rande – ein erster Schritt. Fragt sich nur noch, wie die mit dem Elterngeld verbundene Reduzierung des Einkommens mit der Unterhaltspflicht des getrennt betreuenden Elternteils vereinbar ist. Schließlich besteht eine gesteigerte Erwerbspflicht, die Betroffene nicht selten bis an ihre Grenzen und darüber hinaus belastet. Und wie kann dann durchgesetzt werden, dass diese Elternteile in der so gewonnenen Zeit auch tatsächlich ihre Kinder sehen dürfen? Im Detail besteht da ganz offensichtlich noch Klärungsbedarf.
Weiterhin enthalten sind ein paar vermutlich allgemein konsensfähige Forderungen, wie Verbesserung der Kita-Betreuung, schrittweise Abschaffung der Kita-Gebühren, Bekämpfung von Kinderarmut. Ein weiterer Punkt ist die Forderung nach Stärkung der Kinderrechte im Grundgesetz, was erstmal gut klingt, denn wer möchte nicht, dass Kinder umfassend von unserem Rechtssystem geschützt sind. Es bleibt jedoch weiterhin unklar, welche Notwendigkeit hierzu bestehen soll und wie entsprechenden Missständen, sollte es sie denn geben, konkret abgeholfen werden kann.
Schließlich stellt die SPD noch ihre Vorstellungen in Sachen Steuerpolitik vor. Da ist die Rede von der aktuellen Ungerechtigkeit, die beseitigt werden soll. Das Ehegattensplitting soll abgeschafft und durch ein Familiensplitting ersetzt werden, das jedoch nicht genauer erläutert wird.
Das Familiensplitting ist ursprünglich eine Idee der CDU/CSU. Caren Marks von der SPD Fraktion sagte hierzu am 4. September 2013 noch „Die Kritik am Familiensplitting ist berechtigt. Eine solche Reform des Steuerrechts würde die bereits bestehende Gerechtigkeitslücke in der Familienförderung weiter vergrößern.“ Jetzt also doch und wem hilft das tatsächlich?
Besonders enttäuschend ist, dass die SPD Fraktion am 07.03.2017 noch in einem Positionspapier gefordert hatte, „dass eine Rechtsgrundlage im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geschaffen wird, auf deren Basis das Wechselmodell nach eingehender Einzelfallprüfung und im Sinne des Kindes mit den Eltern vereinbart oder auch angeordnet werden könne.“ Davon ist nun keine Rede mehr. Ausgesprochen schade!
Zusammenfassend kann man sagen, der Programmentwurf enthält wenig Spektakuläres. Die aufgestellten Ziele sind plakativ, aber wenig konkret und gehen vielfach an der gesellschaftlichen und rechtlichen Realität vorbei, wirken zumindest nicht richtig durchdacht. Wichtige gesellschaftliche Reformen, wie eine Stärkung der Rolle getrennt lebender Elternteile im Leben ihrer Kinder, werden weiterhin nicht angegangen. Diese Reformen scheinen zwar von einigen progressiven Kräften innerhalb der SPD befürwortet zu werden, das Wahlprogramm liest sich dagegen in Bezug auf die derzeitige Situation nach Trennung und Scheidung, insbesondere des von seinen Kindern getrennt lebenden Elternteils, eher nach einem „Weiter so!“
Damit die SPD nach der Bundestagswahl nicht selbstkritisch einsehen muss, dass es ihr wohl nicht ausreichend gelungen ist, ihre Inhalte den Wählerinnen und Wählern zu vermitteln, sollte sie besser bald damit beginnen.
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