UNHRC: Eltern-Kind-Entfremdung Missbrauch nach der Trennung

Frau Reen Alsalem ist seit 1. August 2021 Sonderberichterstatterin zu Gewalt gegen Frauen und Mädchen sowie ihren Ursachen und Folgen.

Am 14. Juni 2023 legte sie ihren Bericht „Custody, violence against women and violence against children“ vor. Zur Vorbereitung hatte sie Stellungnahmen aus der ganzen Welt gesammelt, hauptsächlich von Frauenrechts- und Mütterlobby-Organisationen. Diese Organisationen führen seit langem eine international gut koordinierte  Kampagne mit dem Ziel, Müttern die Möglichkeit zu geben, nach Trennungen den Kontakt des Vaters zu seinen Kindern nach eigenem Ermessen zu unterbinden. Entsprechend fielen die Antworten aus, die Basis des vorgelegten Berichts waren.

So erfährt man im Bericht von Richtern, die dazu neigen würden, den Kontakt des Kindes zum Vater zu priorisieren und dabei den Schutz der betroffenen Kinder aus den Augen verlieren, selbst wenn Gewalt und Missbrauch erwiesenermaßen stattgefunden haben. Dies alles würde, so lernt man, auf dem unwissenschaftlichen Konzept „Parental Alienation“ (zu Deutsch: Eltern-Kind-Entfremdung) basieren, da dieses Konzept davon ausgehe, Mütter würden ihre Kinder entfremden und Missbrauchsvorwürfe grundsätzlich erfinden. Dieses Konzept sei von Richard Gardner in den 80er Jahren entwickelt worden, inzwischen aber komplett widerlegt und teilweise verboten, unter anderem, weil es keine empirische Basis hätte.

Diese Argumentation wabert seit einigen Jahren durch das Mütterlobby-Spektrum und wird tatsächlich von einer Hand voll unterstützenden Wissenschaftlern geteilt. Einer dieser Unterstützer ist der pensionierte Jugendamts-Abteilungsleiter Wolfgang Hammer, der 2022 unterstützt unter anderem vom VAMV und dem Mütterlobby Verein MIA, die Studie „Familienrecht in Deutschland“ veröffentlichte. In seinem Traktat vertritt Hammer die These, Mütter würden an Familiengerichten in Deutschland systematisch benachteiligt.

Zur Untermauerung seiner These analysierte Hammer nach eigener Aussage gut 80 Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zu Umgangs- und Sorgerechtsfällen aus einem Zeitraum von 15 Jahren. Hammer bemängelt z.B. die hohe Belastung der Mütter durch die lange Verfahrensdauer, außerdem beklagt er, den Anteil hoch eskalierter Fälle. Es ist schon fast grotesk, diese Aussagen an einer Analyse von Fällen am Bundesverfassungsgericht festzumachen, wenn ausschließlich Fälle analysiert werden, die bis zur letzten Instanz ausgetragen wurden, anders als die große Mehrzahl (jährlich gibt es allein 55.000 Gerichtsverfahren allein zum Umgangsrecht) die in der ersten, einige wenige in der zweiten Instanz (am OLG) abgeschlossen werden.

Neben diesen methodischen Unzulänglichkeiten, stellt man sich beim Lesen unwillkürlich die Frage, ob die als Beleg angeführten Urteile tatsächlich die aufgestellten Thesen stützen. In vielen Fällen ist dem nicht so. Teilweise haben die referenzierten Urteile mit der aufgestellten These schlicht nichts zu tun. Zudem hat Hammer aus den bereits handverlesenen Urteilen nur teilweise ausgewertet. Weitere von Hammer genannte Quellen sind die Aussagen „betroffener Mütter“ ohne weiteren Beleg. Trotz der dermaßen dünnen Faktenlage hat Hammer’s Studie sich mittlerweile als ein Standardwerk der Mütterrechtsbewegung etabliert und hat durch deren mediale Macht weite Verbreitung gefunden bis hin zur Diskussion in Landesparlamenten. Hammers Studie steht jedoch nur für einen Baustein in diesem Konstrukt.

Allen diesen Bestrebungen ist eins gemein. Es wird versucht davon abzulenken, dass Alleinerziehende (zu 85% Mütter) in vielen Fällen den Kontakt des anderen Elternteils erschweren oder ganz unterbinden. Solche Fälle sind vielfach dokumentiert und belegt. Es wird nun lapidar behauptet, derartige Fälle gäbe es nicht. Wenn eine Mutter keinen Kontakt des Kindes zum Vater zulässt, dann geschähe dies zum Schutz des Kindes vor dem dann offensichtlich gewalttätigen Vater. Eine Argumentation der man folgen könnte, wären da nicht die vielen Fälle, in denen Gewalt keinerlei Rolle spielt, in denen lediglich ein liebender Vater im Kontakt zu seinem Kind bleiben will und ihm das verweigert wird, ohne dass Gewalt überhaupt ein Thema ist.

Frau Alsalem greift nun die ganzen Narrative der international versammelten Mütterlobby auf und stopft sie in ihren Bericht. Bei der Vorstellung des Berichts am 23.3.2023 erhielt sie dafür den verdienten Gegenwind, was sie offenbar dazu veranlasste, die Aussagen ihres Berichts in ihrer Abschlussrede deutlich zu relativieren. Dennoch geben ihre Aussagen berechtigten Grund zur Sorge, dass Frau Alsalem weiter versuchen wird, Eltern-Kind-Entfremdung als Hirngespinst entfremdeter Elternteile zu diffamieren und damit den entfremdenden Elternteilen zuzuarbeiten. Möglicherweise ist ihr nicht mal bewusst, welchen Schaden sie damit den betroffenen entfremdeten Kindern und Elternteilen zufügt.

Frau Alsalem räumt ein, dass Elternteile nach Trennungen versuchen Kinder gegen den anderen Elternteil zu beeinflussen. Sie räumt ein, dass das für die betroffenen Elternteile als schlimm empfunden wird. Man könne aber „diese Realität nicht unter dem Etikett der elterlichen Entfremdung zusammenfassen …, denn diese Realität, die ich gerade beschrieben habe, ist Teil eines Kontinuums von Zwangskontrolle, die in einem bestimmten Kontext von einem Partner zum anderen ausgeübt wird.“ Wer jetzt glaubt, Frau Alsalem hätte erkannt, dass Eltern-Kind-Entfremdung eine Form der Nachtrennungsgewalt ist, gegen die sie ja angeblich vorgehen will, wird schnell enttäuscht: „Sie [die Eltern-Kind-Entfremdung] muss auch wieder im Zusammenhang mit der breiteren Dynamik in einer Familie oder einer ehemaligen Familieneinheit gesehen werden.“ Offenbar schwingt da Verständnis für die TäterInnen mit. In jedem Fall will Frau Alsalem nichts von Eltern-Kind-Entfremdung wissen und fordert daher „Wir müssen einen anderen Namen als den der elterlichen Entfremdung finden, um diese Art des Missbrauchs nach der Trennung, die ich gerade beschrieben habe, zu beschreiben.“ Vielleicht sollte sie dann auch gleich Vorschläge machen, wie wir Missbrauch durch „Eltern-Kind-Entfremdung“  künftig nennen sollten. Besser als sie zu leugnen, wäre das allemal.

Im Weiteren behauptet Frau Alsalem „Die Kinder können tatsächlich ihre eigenen Entscheidungen treffen, und die Forschung zeigt, dass wenn ein Partner oder ein Elternteil Druck auf ein Kind ausübt, um es dem anderen Elternteil zu entfremden oder zu entfernen, sich das Kind in der Regel gegen den Elternteil wendet, der versucht, Druck auf es auszuüben. Das heißt, es gibt eigentlich keinen Beweis dafür, dass die Handlungen dieses Elternteils zu der Art von Entfremdung führen, die gewünscht wird.“ Im Klartext: der Versuch ein Kind zu beeinflussen geht grundsätzlich schief, darum kann es gar nicht sein, dass ein Elternteil das Kind gegen den anderen beeinflusst. Vielleicht könnte Frau Alsalem hierzu die von ihr behaupteten wissenschaftlichen Forschungen nennen. Das wäre sicher interessant.

Die von Frau Alsalem nicht erkannte Realität an Familiengerichten ist, dass Richter sich mit sehr komplexen Familiensituationen auseinanderzusetzen haben. Dabei haben sie die Rechte der Eltern und des Kindes sowie natürlich auch berechtigte Sicherheitsinteressen abzuwägen. Dabei passieren Fehler. Frau Alsalem könnte das wissen, wenn sie sich selbst Informationen an Familiengerichten beschafft hätte, statt Propaganda von Mütterrechtsorganisationen ungefiltert zu kopieren.

Die Realität ist, dass etwa ein Drittel der getrennten Väter innerhalb kurzer Zeit nach der Trennung den Kontakt zu ihren Kindern verlieren, teilweise für immer. Dafür gibt es viele mögliche Gründe und nicht immer ist eine (bewusste) Beeinflussung des Kindes durch die Mutter die Ursache. Wenn aber ein Vater klar zu erkennen gibt, dass er weiter im Kontakt zu seinem Kind bleiben will, bereit ist dafür ein Gericht anzurufen und erklärt, die Mütter würde das Kind negativ beeinflussen, dann muss das Gericht diesen Vorwurf prüfen. Das ist zwingend erforderlich, weil es solche Fälle gibt und weil es um ein enorm wichtiges Gut geht – den Kontakt eines Elternteils zu seinem Kind.

Es bleibt nur zu hoffen, dass Frau Alsalem nach diesem Debakel in sich geht und bemüht ist, den von ihr angerichteten Schaden zu beheben. Das ist sie den Trennungskindern dieser Welt schuldig.

Das Väternetzwerk hat sich an einer Stellungnahme zu Frau Alsalems Bericht beteiligt. Diese finden Sie hier.