Am 01.02.2017 fasste der BGH seinen Beschluss XII ZB 601/15, in dem er klarstellte: ein paritätisches Wechselmodell kann auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden, wenn es dem Kindeswohl am besten entspricht. Im Grunde ist die Notwendigkeit eines solchen Beschlusses erstaunlich, wird doch stets beteuert, es gäbe kein bevorzugtes Modell und das Kindeswohl stehe an oberster Stelle.
Schnell wich Ernüchterung der anfänglichen Euphorie. Die im Beschluss aufgestellten Bedingungen für die Anordnung eines Wechselmodells gehen weit über das hinaus, was üblicherweise Paare mitbringen, die sich getrennt haben und entsprechend zerstritten sind, sich aber dennoch einvernehmlich auf die Doppelresidenz als Betreuungsmodell einigen, weil ihnen unabhängig vom vorhandenen Partnerschaftsstreit ihr Kind am Herzen liegt. Da wundert es nicht, dass auch ein Jahr nach diesem Beschluss nahezu keine Gerichtsurteile bekannt geworden sind, die bezugnehmend auf diesen BGH-Beschluss eine Doppelresidenz anordnen.
Wechselmodell als Regelfall laut BVerfG nicht zwingend, aber möglich
Ein Vater sah sich durch diese Rechtslage benachteiligt und reichte eine Verfassungsbeschwerde ein. Die Beschwerde 1 BvR 2616/17 wurde am 22.01.2018 vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG)mit der Begründung abgelehnt, dass der Vater nicht durch ein verfassungswidriges Gesetz in seinen Grundrechten eingeschränkt sei. Aus dem Grundgesetz ergebe sich auch nicht die Pflicht des Gesetzgebers Rechtsnormen zu schaffen, die der paritätischen Doppelbetreuung einen Vorrang einräumen.
Diese Entscheidung bedeutet allerdings keinesfalls, dass das BVerfG die Doppelresidenz als Regelfall ablehnt oder gar für grundgesetzwidrig hält, wie es teilweise von aggressiven Verfechtern des Residenzmodells dargestellt wird, bei dem das Kind im überwiegend bei einem Elternteil lebt und der andere Elternteil im Wesentlichen auf die Funktion eines Unterhaltszahlers reduziert wird. Das BVerfG hat lediglich festgestellt, es gäbe „keine gesetzgeberische Pflicht zur Einräumung eines paritätischen Umgangsrechts (“Wechselmodell”) getrennt lebender Eltern als Regelfall“. Die aktuelle Gesetzeslage verlangt also nicht das Wechselmodell als Regelfall. Eine Festlegung des Wechselmodells als Regelfall durch den Gesetzgeber ist aber trotzdem jederzeit möglich und in Anbetracht der gesellschaftlichen Realität, partnerschaftlicher Übernahme von Verantwortung für das Kind durch beide Eltern, mehr als überfällig.
FDP: Familienrechtliches Wechselmodell als Regelfall einführen
Die FDP hat bereits im Wahlkampf angekündigt, sich für das Wechselmodell als Regelfall einsetzen zu wollen. Inzwischen wurde von der FDP ein entsprechender Antrag „Familienrechtliches Wechselmodell als Regelfall einführen“ eingebracht, der am Donnerstag, dem 15. März 2018 in der 20. Sitzung des Bundestages beraten wird.
Zwar sollte man sich von diesem Antrag nicht allzu viel erhoffen – die gesetzgeberischen Mühlen des deutschen Familienrechts mahlen langsam – dennoch ein Antrag mit Symbolkraft, der vielen vor allem Vätern und ihren Kindern neue Hoffnung gibt. Interessant wird, ob die anderen Parteien dem Antrag der FDP oder dem Gegenantrag der Partei „Die Linke“ folgen.
Jeder getrennt lebende Vater, der Interesse an seinen Kindern hat, sollte diese Debatte aufmerksam verfolgen, handelt es sich doch um eine der wichtigsten familienpolitischen Fragen unserer Zeit. Wir dürfen gespannt sein.
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